Durch das erste Tor des Wiener Zentralfriedhofes gelangt man auf einen leeren Platz, der teilweise mit provisorisch errichteten Containern verstellt ist. Meiner Meinung nach sagt dieser Ort viel über Österreichs Umgang mit seiner Geschichte aus. Hier standen der Verwaltungsbau und die Einsegnungshalle des jüdischen Friedhofs. Dieses Gebäude wurde 1877/78 (Arch. Wilhelm Stiassny) errichtet, 1938 von den Nationalsozialisten geschändet und beschädigt und– weil niemand für die Erhaltung sorgte – 1978 abgebrochen.
Der Entwurf versucht das ursprüngliche städtebauliche räumliche Konzept wieder aufzunehmen: ein quer zur Achse „Haupteingang – Allee durch den Friedhof“ stehender Baukörper bildet zwischen Eingang und Gebäude einen Vorhof und sperrt den direkten Einblick in den Friedhof. Entsprechend der vorhandenen Störung ist der Neubau etwas nach Süden verdreht. Der Bau selbst bot Ausbildungsmöglichkeit (im ökologischen Bauen) für jüdische Emigranten. Er schließt zum Eingang hin mit einer Bruchsteinmauer (aus verstreuten Steinteilen der Gräber) ab und öffnet sich mit einer Solarfassade (Glas, TWD) nach Süden (und zum Friedhof). Der sonstige Bau wurde aus Lehm (unterschiedlichste Techniken) geplant. Die israelitische Kultusgemeinde wollte am Ort des abgebrochenen Gebäudes kein neues Gebäude, weshalb das Projekt näher zum Eingang verschoben und der Andachtsraum zum eigenständigen Gebäude (Stampflehm unter einem Flugdach) wurde.
Der Versuch, das Gebäude auf Empfehlung des für das Stadtbild verantwortlichen Magistrat – doch wieder in die alte Position zu bringen sowie Konflikte zwischen den Betreibern des Projektes und der Kultusgemeinde führte schließlich zum Scheitern des Projektes, sodass dieser Platz bis heute leer steht und „Gras über die Geschichte wächst“.