Gleisdorf (Steiermark): Solar Holz- Niedrigenergie-Fertigteilhäuser

75

Projekt 75

Der Bürobau ist innerhalb der gesamten Anlage so situiert, dass er für die aus dem Ort kommenden Besucher als erstes in Erscheinung tritt.

Obgleich im Bürobau mit dem gleichen Bauprinzip wie im Wohnbau gearbeitet wird, ist hier das System gleichsam umgedreht: während in den Wohnräumen das direkte Sonnenlicht wünschenswert ist, so sollte im Büro vor allem diffuses Licht vorherrschen. Deshalb wurde der Wintergarten für den Bürobau zum Erschließungs- und Rekreationsbereich und die Belichtung der Büroräume erfolgt von Norden und nur indirekt vom Süden (über den Wintergarten). Auch der Zugang erfolgt (über eine Schleuse) vom Süden.

Während in den Büroräumen gleichmäßige Temperaturen und Lichtverhältnisse herrschen, soll der Aufenthalts- und Erschließungsbereich durch schwankende Temperaturen und Belichtungen hohe Erlebnisqualitäten und (Kreislauf-) Anregung bieten. So sind auch im gesamten Gebäude zwei unterschiedliche Klimazonen vorgegeben: die relativ kleinen Büroräume mit den Computerarbeitsplätzen sind für diese Arbeit optimal und gleichmäßig konditioniert, während der große südliche Teil vom Wetter abhängig ist und einen Kontrastraum bildet. So entstehen zwei Bereiche, die sich in jeder Hinsicht gegenseitig ergänzen (konzentriertes Arbeiten am Bildschirm gegenüber Kommunikation und Erholung in der Südzone). An das Gebäude ist nördlich ein Kellerersatzraum (Werkstätte) als Puffer angeschlossen, ebenso wie die Heizzentrale und ein Pufferspeicher.

Zwischen der Solar- Kollektorzone im Süden und den Büroräumen befindet sich die massive und mit Lehm verputzte Solarspeicherwand, um passiv gewonnene Sonnenenergie aufzunehmen und in den Abendstunden und am Morgen verzögert zur Verfügung zu stellen. Umgekehrt nimmt diese massive Wand die Nachtkühle auf und ist Teil des Überhitzungsschutzes.

Wohnungen

Diese bauen auf dem gleichen Grundsystem (Massivspeicherwand und gesamter sonstiger Bau aus Holz) auf, aber in umgekehrter Anordnung der unterschiedlichen Bereiche: die Erschließung erfolgt von Norden, die Wohnbereiche sind alle direkt von Süden her besonnt. Die Wintergärten sind den Wohnräumen vorgelagert.

Das städtebauliche Konzept versucht, durch die Verschwenkung der Gebäude den westlichen Grünraum (im Bereich des Baches) miteinzubeziehen. Gegenüber der Straße sind die Gebäude durch Parkplätze und Nebenräume (wie Kinderwagen- und Trockenraum) abgeschirmt. Besonnungsstudien verhalfen, eine Bebauung zu finden, bei der eine gegenseitige Beschattung vermieden wird.

Die technische Ausstattung, die Baumaterialien und das Fertigteilsystem sind ident mit dem Bürobau, wobei aber – entsprechend den teilweise konträren Nutzungsanforderungen – das Funktionskonzept umgedreht ist: die Wohnräume erhalten alle direktes Sonnenlicht und die Wintergärten dienen als Ergänzung der Wohnräume.

Die Anlage diente auch als Musterprojekt für die Entwicklung des Fertigteilhauskonzeptes „Sundays“.

Energiekonzept

Erdwärme

Erde-Luft-Wärmetauscher in Form von Rohren (Durchmesser = 200 mm, Länge: 25 m), für Bürobau drei Stück führen die Zuluft durch die Erde, wodurch diese vorgewärmt oder vorgekühlt wird. In der kältesten Periode des Jahres beträgt der maximale Temperaturhub 15K: Bei Außentemperaturen von –10°C wird die Zuluft auf +5°C erwärmt. Im Laufe des Winters wird das Erdreich auf die gesamte Bohrlänge abgekühlt und im Sommer entsprechend aufgewärmt, sodaß auch ein gewisser saisonaler Effekt eintritt.

Passive Solarnutzung

Diese erfolgt sowohl direkt durch die Sonnenstrahlen, die über die Südverglasungen in die Wohnräume gelangen als auch isoliert (und besser steuerbar) über die Wintergärten. Die Wintergartenverglasungen erlauben eine fast vollständige Solarernte der auf das Gebäude im Winter einstrahlenden Süd-Sonne. Die Wintergartenzuluft wird über den Erdwärmetauscher angesaugt und vorgewärmt und im Wintergarten bei Bedarf und Solarangebot weiter gewärmt und – über Ventilatoren – in die Nutzräume gesaugt. Wobei im Falle der Wohnhäuser (geringere Wärmedämmung der Wintergartenverglasung und kein permanenter Nutzungsanspruch) die Absaugung der Luft aus dem Wintergarten nur an sonnigen Wintertagen erfolgt (Zuluft in den Wintergarten unten, Absaugung am höchsten Punkt). Automatisch gesteuert wird an Wintertagen ohne Sonne die Zuluft direkt in die Wohnungen eingebracht.

Aktive Solarnutzung

Oberhalb der Wintergärten befinden sich die Entlüftungsklappen für den sommerlichen Überhitzungsschutz der passiven Solarnutzung. Diese Klappen sind mit Sonnenkollektoren auf die gesamte Länge der Wintergärten abgedeckt. Der Raum zwischen Kollektoren und Abluftklappen enthält nicht nur die Mechanik für die Klappen, sondern ebenso die Installationstechnik für die Kollektoren. Von den insgesamt 233 m² Kollektoren (großflächige Elemente, Absorber: Titan-Nitrit-Oxid-Beschichtung) befinden sich ca. je ein Drittel auf jedem Gebäude und bilden eine gemeinsame Anlage. Die Anlage deckt ca. 70% des Warmwasserbedarfes und 50% des Heizungsbedarfes. Der Solaranlagenbetrieb erfolgt nach dem Low-Flow-Prinzip in Kombination mit einem Pufferspeicher (14 m³) mit integrierter Schichtbeladung.

Photovoltaische Solarnutzung

Die netzgekoppelte Photovoltaikanlage (ca. 17 m²) erbringt eine Leistung von 1,44 kWp auf. Von der Idee her soll die Anlage vor allem dazu dienen, dass trotz hohem Grad an Haustechnikinstallationen kein Mehr- sondern Minderverbrauch an elektrischer Energie aus dem Netz erfolgt. Der Stromverbrauch wird zusätzlich dadurch gesenkt, dass die Erwärmung des Warmwassers der Haushaltsgeräte über die aktive Solaranlage erfolgt (Waschmaschine und Geschirrspüler).

Niedertemperatur-Heizsystem

Dieses für die Nutzung der Sonnenenergie günstige Heizsystem wurde in die Wand (und in einzelnen Teilbereichen in den Fußboden) verlegt. Naturgipsfaserplatten mit integrierten Kunststoffrohren bilden Trennwände zwischen den Räumen. Die mittlere Vorlauftemperatur liegt in der Heizsaison unter 30°C. (Die Ladung der Warmwasserspeicher erfolgt über das gleiche Netz mit höherer Temperatur während eines nächtlichen „Zeitfensters“).

Biomasse für den Restenergiebedarf

Der restliche Wärmebedarf erfolgt mit einem Kessel, der mit Pellets versorgt wird.

Diese Form des Brennstoffs ist nicht nur heute sehr kostengünstig (billiger als beispielsweise Öl), sondern auch CO2-neutral.

Energieüberschüsse

Der ursprüngliche Plan, die sommerlichen Wärmeüberschüsse in den thermischen Kollektoren für die Beheizung des anliegenden Schwimmbades zu verwenden, konnte erst einige Jahre nach Fertigstellung realisiert werden. Diese Maßnahme lässt das Projekt in seiner Gesamtbilanz energieproduktiv werden: das Projekt stellt insgesamt im Betrieb eine Umweltentlastung dar.

Wasserhaushalt

Das Regenwasser wird im Bereich des Bürohauses in einer Zisterne gesammelt und zur WC-Spülung und Gartenbewässerung verwendet.

Ergebnisse

Von der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie (AEE) wurde im Zuge der Planung eine Simulation (TRANSYS) durchgeführt, die einen Heizwärmebedarf (passive Gewinne berücksichtigt, aktive Gewinne unberücksichtigt) von 20 kWh je beheizte Nettonutzfläche pro Jahr (m²a) für das Bürogebäude und von 33 kWh/m²a für die Reihenhäuser errechnete.

Die Messergebnisse für das Bürohaus (über zwei Jahre) und für ein Wohnhaus (für ein Jahr) brachten wesentliche Unterschreitungen dieser Werte. Die thermische Solaranlage deckt den Gesamtwärmeverbrauch zu rund 70% und selbst in der Heizsaison zu rund 60%.

Der Restenergieverbrauch (d.h. der restliche Zusatzheizbedarf, den das Gebäude inklusive aktiver Solarnutzung selbst nicht mehr deckt) und vom Biomasse-Pelletkessel geliefert wurde, beträgt somit – nach den Solarbeiträgen – für das Bürohaus nur 8 kWh je m² beheizte Nettonutzfläche pro Jahr (m²a) und für das Reihenhaus in Randlage nur 13 kWh/m²a (im Vergleich dazu sind Passivhäuser für einen Verbrauch von bis zu 15 kWh je m² berechnet).

Der Stromertag der PV-Anlage pro installierter kWPeak betrug 1210,3 kWh – ergab also eine gute Übereinstimmung mit der Simulation (1200 kWh).

Technische Besonderheiten:

Holz-Massivbau (mit Beton-Innenwänden) mit Holzwärmedämmung und Holz-Ausbauteilen, kontrollierte Belüftung, Erde-Luft-Kollektor, Wintergärten einbezogen ins Belüftungssystem, Warmwasserkollektoren mit zentralem Speicher, Regenwassersammelanlage, Biomasseheizung (Pellets).

Projektnummer
75
Status
Bauten
Planung
Georg W. Reinberg, Beck, Susanne Rieger, Thomas Siegl
Auftraggeber:in
Lieb Bau Weiz
Ausführung
Baubeginn
1997 Büros, 1998 Wohnungen
Fertigstellung
1998 Büros, 1999 Wohnungen
Nutzfläche
940 m² Büro, 298 + 351 m² Reihenhäuser m2

Pläne