Obergrafendorf (Niederösterreich): Tagesheim für behinderte Menschen

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Projekt 150

Städtebauliche Situation

Der Baugrund liegt am südlichen Rande eines Wohngebietes und durch eine schmale Grünzone getrennt am nördlichen Rand eines Gewerbegebietes.

Im Osten schließen zukünftige Einfamilienhausbebauungen an und im Westen liegt jenseits der Mariazellerstraße eine sehr schöne Grünzone mit landwirtschaftlicher Nutzung.

Auf diese Situation reagiert der Entwurf wie folgt:

In Richtung Wohnbebauung liegt der Bau der Schwerbehindertenbetreuung, an der Seite des Gewerbegebietes liegen die Werkstätten und dazwischen der gemeinsame Bereich des Foyers/Speisesaals, Küche und der Nebenräume mit indirektem Ausblick in den westlichen Landschaftsraum. In der zum kubischen Baukörper schräggestellten Westfassade (Front zur Mariazellerstraße) wird durch die Ausbildung einer Nische eine überdachte Eingangssituation gebildet die sich zum attraktiven Grünraum aber auch zum Ortszentrum hin orientiert.

Die ebenerdige Ausführung aller allgemein zugänglichen Räume erreicht die gewünschte Barrierefreiheit für die Nutzer und erspart die Errichtungs- und Betriebskosten für einen behindertengerechten Aufzug.

Baumaterialien

Außenwände: KLH-Brettsperrholz-Platten mit 16cm Steinwolledämmplatten und Streuschalung, innen Lehmputz.

Dach: KLH-Brettsperrholz-Platten mit 26cm Dämmplatten, Abdichtung und extensiver Begrünung.

Keller: Wände und Decke aus Stahlbeton, mit Dämmung, Feuchtigkeitsisolierung.

Architekturkonzept

Leitgedanke für das Konzept war „Menschlichkeit hat Zukunft“ und „Andersartigkeit ist ein positiver Wert“.

Ersteres soll insbesondere durch die Verwendung zukunftstauglicher, ökologischer Materialien dargestellt werden. Sie stehen für ein menschengerechteres Bauen und eine positive Zukunft, für mehr Respekt gegenüber den Menschen und weniger Härte gegenüber der Umwelt.

Die Andersartigkeit in formaler Gestaltung und Wahl der Baustoffe steht im bewussten Gegensatz zu den traditionellen industriellen Baustoffen, wie sie für die benachbarten Fertigteilhäuser und Gewerbebauten verwendet wurden. Holz ist nicht total exakt, sondern unregelmäßig und mit vielen kleinen „Fehlern“ versehen, bringt aber im Gesamterscheinungsbild eine sehr warme, sehr „menschliche“ Architektur.

Der gesamte Baukörper stellt diese Gestaltungsziele nicht in vordergründiger bildhafter Anbiederung an Naturformen dar, sondern mit einem sehr vereinfachten, kostenoptimiertem Baukörper, der technisch in der Planung perfektioniert wurde und die positive Vielfalt im Detail entwickelt.

Die Materialien dazu sind witterungsbeständiges Lärchenholz als Außenwandverkleidung und Brettsperrholzelemente als tragende Konstruktionen, wobei die Decken innen sichtbar bleiben und die Wände innen mit Lehmputz versehen sind.

Diese Materialien wurden auch gewählt, da sie das beste Raumklima schaffen (Baubiologie) und von den Klienten teilweise selbst leicht bearbeitet werden können.

Durch große Fensterflächen, großzügige Oberlichten und Lichtumlenkung mittels Verspiegelung über den Zentralräumen wird höchstmögliche Tageslichtnutzung erreicht. Dies bewirkt neben der erzielten Energieeinsparung für Kunstlicht ein offenes und großzügiges Erscheinungsbild in den Innenräumen.

Energiekonzept

Ausgangspunkt des Konzeptes ist gute Wärmebewahrung durch hohe Wärmedämmung an den Außenbauteilen, hohe Verglasungsqualität, sorgfältige Detailausführung und hohe Luftdichtigkeit (gemessener Wert: 0,36) sowie Wärmebewahrung beim Luftwechsel durch ein Lüftungswärmerückgewinnungsgerät. Die Zuluft wird über einen Erde-Luft-Kollektor geführt. Sämtliche Lüftungsleitungen sind in Sanitärbereichen und anderen Nebenräumen in abgehängten Decken installiert um jegliche Raumhöhenverluste in den Haupträumen zu vermeiden. Vertikale thermische Kollektoren (40 m²) befinden sich an der Südwand im Bereich der frei von gegenüberliegenden Gewerbebauten ist. Sie stellen ein schwarz-violett scheinendes Schild gegenüber dem Autoverkehr aus südlicher Richtung dar – und stehen auch als Zeichen für die Zukunftsfähigkeit des Tagesheimes. Diese Vertikalkollektoren werden durch Schrägkollektoren (46 m²) auf den Oberlichten ergänzt. Zwei Wasserspeicher (à 2000 Liter) im Keller speichern die Sonnenenergie auch über einige Schlechtwettertage hinweg. Die so gewonnene Wärme deckt den gesamten Warmwasserbedarf im Sommer und übers Jahr mit bis zu ca. 60% und wird zur Heizungsunterstützung verwendet (Flächenheizung Boden und Wand).   Der restliche Heizwärmebedarf wird durch einen Gasbrennwertkessel gedeckt. Die Wärmeabgabe erfolgt über Boden- und Wandheizungsflächen. Der äußerst einfache Baukörper und die möglichst weitgehende Verwendung von Standardelementen (bei Fenster, Türen etc.) machen die Finanzierung des hohen Dämmstandards, der Sonnenkollektoren und der Lüftungsanlage möglich. Das Oberlicht des Speisesaales und Südfenster bringen passive Solarerträge. Oberlichten (Nordfenster mit südlichem Kollektordach) versorgen das Innere des tiefen Baukörpers mit Tageslicht (Lichtlenkung über Spiegel). In weiteren Ausbaustufen (und abhängig von Förderungen) können aufgeständerte Photovoltaikpaneele auf dem nördlichen Flachdachbereich das Energiekonzept ergänzen. Der sommerliche Überhitzungsschutz wird durch Außenjalousien und durch Nachtspülung (Lüftungsklappen) bewirkt.  

Projektnummer
150
Status
Bauten
Planung
Georg W. Reinberg, Sonja Rotter, Sabine Bartsche-rer, Martin Presich
Auftraggeber:in
Caritas der Diözese St. Pölten
Ausführung
Planungsbeginn
2002
Baubeginn
2002
Fertigstellung
2003

Fotos