St. Pölten (Niederösterreich): NÖ-Landespensionisten- und pflegeheim mit Tagesbetreuungsstation

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Projekt 81

Der Entwurf konzentriert den Baukörper auf eine kompakte Form, die die gesetzlich größtmögliche Gebäudehöhe ausnützt. Dadurch entsteht ein günstiges Verhältnis des Volumens zur Außenfläche, die Gemeinschaft der Heimbewohner wird betont, die Baukosten konnten gesenkt und ein größtmöglicher Grünraum konnte geschaffen werden.

Die Basis des Baukörpers bildet ein Versorgungsgeschoß mit der gesamten Haustechnik, der Küche, den Abstellräumen, Bügelräumen etc., aber auch gemeinschaftlichen Bereichen wie Friseur und Kapelle. Auf diesen Sockel ist das Eingangsgeschoß (1.OG) mit Tagesheim, Verwaltung, Café, Therapieräumen und einer kleinen Pflegestation aufgesetzt, auf welche die drei weiteren Pflegestationen gestapelt sind.

Die Individualräume liegen mehrheitlich im Westen, zum Flussraum und zur Stadt orientiert, zusätzliche Individualräume öffnen sich nach Osten. Im Mittelteil des Osttraktes sind sämtliche Serviceeinrichtungen untergebracht (Bad, Schwesternstützpunkt, Unreiner Raum, Wäschelager etc.). Die Individualräume liegen zwischen den Gemeinschaftsbereichen, die die jeweiligen Eckpunkte einnehmen. Eine offene Terrasse ganz im Süden, ein Wintergarten und der Essbereich mit Teeküche an einer Südwest-Ecke sowie ein zusätzlicher Gemeinschaftsbereich ganz im Norden. Jeder dieser Punkte hat seine ganz spezifische Einbindung in das Umland (siehe Handskizze). Die „Attraktionen“ dieser Aussichtspunkte sind im Süden das Alpenvorland, im Südwesten das Regierungsviertel, im Westen der Traisenraum (und im weiteren die Altstadt), im Norden die Eisenbahn sowie die Landschaft um die Reste des Schlosses Viehofen, im Osten vor allem der Zugang und der Lieferverkehr zum Heim sowie die zukünftigen Aktivitäten im hier liegenden Bauerwartungsgebiet. Die Lage der Gemeinschaftsbereiche an den „Extremitäten“ des Gebäudes soll die Bewegung der Bewohner stimulieren.

Eine wesentliche Entwurfsidee war die Lichtführung: Tageslicht für die fünfgeschossige Aula (den Bereich der „Öffentlichkeit der Alten und Pflegebedürftigen“), welches über das Oberlicht, über die Verglasungen der südwestlichen Gemeinschaftsbereiche sowie über die Stiegenhausverglasung im Osten geführt wird.

Für das Erscheinungsbild des Gebäudes war eine Lebendigkeit durch die Einbindung in den Lauf der Jahres- und Tageszeiten besonders wichtig: Jalousien verschließen und öffnen das Gebäude, die Reflexionen auf den großen Glasflächen spiegeln die Wolken sowie die Jahres- und Tageszeiten wider, die bunten Jalousien der Westseite zeigen die individuellen Steuerungsmöglichkeiten dieses Sonnenschutzes, und die Tageslichtführung macht das Wetter sowie die Jahreszeiten auch im Innenraum erlebbar.

Über die Traisenbrücke kommend erfolgt der Zugang parallel zur Traisen (am bestehenden Merkur-Markt vorbei) entweder über den Damm und die neu geschaffene Brücke in das 1.Obergeschoß oder ebenerdig in das Erdgeschoß. Der Zugang über den Damm und die Brücke ist auch der direkte Zugang zum öffentlichen Café. Der eigentliche Haupteingang erfolgt im Osten über eine Zufahrtsrampe, eine kurze Brücke und einen Windfang direkt in das 1.Obergeschoß der großen Aula. Erdgeschoß und 1.Stock, durch einen Luftraum im Eingangsbereich verbunden, schaffen den Eintritt in den „öffentlichen Raum“. Von hier erfolgt der Zugang zum Tagesheim, zum Lift, zum „Empfang“, zur Verwaltung, zum öffentlichen Café sowie zu den Therapieräumen und zu den auch öffentlich zugänglichen Teilen des Erdgeschosses (Friseur, Kapelle).

In diesem „Eingangs-Kern“ des Gebäudes treffen die beiden Zugangsbrücken – um den Eingangsbereich versetzt – aufeinander und bilden eine „Plattform“, von der aus alle Gebäudeteile erschlossen werden. Von hier aus wird das gesamte Gebäudekonzept eingesehen und kann so schnell verstanden werden, um hier auch grundsätzliche Orientierung zu bieten: Die gerade Wand im Osten, die gebogene, gelbe Wand im Westen, der durch alle Geschoße reichende offene Raum der gemeinsamen Halle, der Blick zum Himmel und die beiden Stichgänge zum Süd- und zum Westende geben eine grundsätzliche Orientierungsstruktur vor.

Neben der vertikalen Erschließung durch den Lift wird den Stiegenhäusern – beide an der Ost-Fassade gelegen – weniger Bedeutung gegeben. Horizontal ist einem von Süden nach Norden verlaufenden geraden Erschließungsweg ein gekrümmter Erschließungsgang im westlichen Gebäudeteil gegenübergestellt. Beide Erschließungswege sind zum Luftraum der fünfgeschossigen Halle hin offen und über diesen Luftraum durch eine schmale Brücken verbunden. Diese Brücke ermöglicht einen schnellen, direkten Zugang von den Serviceeinrichtungen (insbesondere dem Schwesternstützpunkt) zu den Zimmern.

Entsprechend der geringeren Mobilität der Alten wird diese Erschließung auch als „Straße der Heimöffentlichkeit“ gesehen, die neben den rein funktionellen Aspekten auch ihre Bedeutung für das „Sehen“ und „Gesehen-Werden“ innerhalb dieser Öffentlichkeit hat und daher entsprechende „Plätze“ bildet.

Die Versorgung hat ihren eigenen Zugang (bzw. die Entsorgung ihren Ausgang) im Erdgeschoß am nördlichen Gebäudeende (Lieferhof). Hier erfolgt die Ver- und Entsorgung der Küche, der Werkstätten etc. Zusätzlich ist die Ver- und Entsorgung über eine erdgeschoßige Tür in den beiden Stiegenhäusern (an der Ostfassade) möglich. Der Stiege im nördlichen Teil ist ein Lift beigestellt, der hauptsächlich der Versorgung und dem Bettentransport dient.

Da die gesamte technische Infrastruktur im Erdgeschoß untergebracht werden konnte, ist eine sehr einfache vertikale Leitungsführung (für Lüftung, Sanitäranlagen, Heizung etc.) direkt von – und in – diesem Versorgungsgeschoß möglich, wobei die Sanitärversorgung über Fertigteilschächte erfolgt. Die horizontale elektrische Leitungsführung erfolgt über Kabeltassen in den Gängen.

Die Lichtversorgung erfolgt – außer wie üblich über die Fenster – auch über das Glasdach der Halle.

Entsprechend der Idee einer „Gegenöffentlichkeit der Alten und Pflegebedürftigen“ sind die Bewohnerzimmer nicht nur nach außen (zur allgemeinen Öffentlichkeit), sondern auch nach innen (zum Gemeinschaftsraum) geöffnet. Neben den Zimmertüren ist jeweils ein schmales aber hohes Fenster untergebracht, das mit einem innenliegenden „Fensterladen“ geöffnet oder geschlossen werden kann. Dem Bild der alten Leute am Fensterbrett folgend soll hier genauso ein Ausblick in die „Welt der Alten und Pflegebedürftigen“ geboten werden wie andererseits zur Stadt St. Pölten.

Im westlichen Teil der Aula sind den Zimmern – als Gangerweiterungen – auch noch gemeinsame „Balkone“ vorgelagert, die diesen Effekt des Hinausschauens in die „Welt der Alten und Pflegebedürftigen“ (und auch den des Gesehen-Werdens) noch verstärken sollen.

Von Architektenseite waren hier die Idee der Bepflanzung der Aula einerseits und das Konzept verschiedener Wege und Grünräume vorgegeben. Dieses Konzept konnte dann gemeinsam mit Dipl.-Ing. Anna Detzlhofer weiter ausgearbeitet werden. Konzeptionell war für die Außenanlagen die Vielfalt der Wegeführung wichtig: der Rundgang um das Atrium, der kleine Rundgang im windgeschützten, südlichen, ruhigen Teil des Gartens, der größere Rundgang im Westen, der Ausflug auf den Traisendamm, der Rundgang um das Gebäude und schließlich der Ausflug bis in die Stadt. Das künstlerische Objekt für den Innenraum wurde im Zuge eines Gutachterverfahrens ermittelt. Frau DI Anna Detzlhofer ging bei diesem Wettbewerb als Siegerin hervor.

2009 wurde die kleine Pflegestation im 1. Geschoss in ein Hospiz umgebaut (Planung: Arch. Reinberg). Dafür wurden einzelne Räume adaptiert (Besucherzimmer, Verabschiedungsraum) und es wurde die Station mit einer Terrasse ergänzt, sodass die Bettlägerigen ins Freie geschoben werden können. Das kompakte Gebäude nutzt die Sonne über das Glasdach und südliche Verglasungen auf passive Weise. Eine mechanische Belüftung mit Wärmerückgewinnung sowie die gute Dämmung bewahren die Wärme bzw. Kälte im Gebäude. Die restliche Wärmeversorgung erfolgt aus dem städtischen Fernwärmenetz. Außenliegende Beschattungen schützen vor sommerlicher Erwärmung. Der langjährige Heizwärmeverbrauch (Stand 2019) beträgt 26 kWh/m²a. Ein Wasser-Erde-Kollektor ermöglicht mit sommerlicher Vorkühlung der Luft (langjährige Erfahrung: Temperatursenkung der Zuluft in Hitzeperioden um 7°C). Eine Brunnenanlage liefert ca. die Hälfte des gesamten Wasserbedarfs. Ein Lastmanagement unterstützt das Elektrokonzept.

Projektnummer
81
Status
Bauten
Planung
Georg W. Reinberg, Claire Poutaraud, Ursula Schneider, Friedrich Huber, Gottfried Flicker, Thomas Siegl
Auftraggeber:in
Pinus in Konzern der NÖ Hypoleasing
Ausführung
Planungsbeginn
1996
Baubeginn
1998
Fertigstellung
2000

Fotos

Baustelle